Dr. Anette Schumacher ist Psychologin und Postdoctoral Researcher am Zentrum für Kindheits- und Jugendforschung (CCY) an der Universität Luxemburg.
Evaluation der luxemburgischen Sozialämter
Mit dem Gesetz über die Organisation der Sozialhilfe von 2010 wurde eine Jahrhundertreform durchgeführt. Wie haben Sozialämter, Ministerien und Kommunen die neuen Anforderungen des Gesetzes umgesetzt? Sind auch die Nutzer der Sozialhilfe mit der Hilfe, die sie erhalten, zufrieden? Die von der Universität Luxemburg im Auftrag des Familienministeriums durchgeführte Mixed-Methods-Studie gibt Antworten auf all diese Fragen.
Zu den Verweisen
Zielsetzung
Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes über die Organisation der Sozialhilfe („Loi du 18 décembre 2009 organisant l’aide sociale“) am 1. Januar 2010, das die Gesetzgebung von 1846 bzw. 1897 reformierte, wurde eine Jahrhundertreform umgesetzt. Die Umsetzung des Gesetzes hat zu zahlreichen strukturellen und inhaltlichen Neuerungen geführt und stellt damit die örtlichen Sozialämter sowie die beteiligten Ministerien und Kommunen vor Herausforderungen.
Gegenstand der vorliegenden Studie ist die Analyse der Umsetzung des Gesetzes vom 18. Dezember 2009 über die „aide sociale“ in Luxemburg. Zentrales Ziel ist es, die Funktionsweise und Umsetzung des Gesetzes zu bewerten. Die Frage nach der Organisation, der Effizienz und der Wirkung der Sozialhilfe steht im Mittelpunkt der Analyse.
In der Studie werden die Perspektiven mehrerer beteiligter Akteure und ihre Rolle bei der Umsetzung des Gesetzes untersucht. Dazu gehören (1) die Ministerien, (2) die Gemeinden und (3) die Sozialhilfeträger. Der Schwerpunkt liegt auf der Analyse der Funktionsweise der Sozialämter (z. B. Antragsverfahren, Auswahlkriterien, Gewährung von Hilfen).
Neben dieser institutionellen Perspektive werden auch die Ansichten der Antragsteller bzw. Nutzer von Sozialhilfe berücksichtigt. Auf diese Weise wird die Frage nach den Auswirkungen der erhaltenen Hilfe auf die Nutzer und ihre Lebenssituation untersucht.
Ziel der Studie ist es, einen aktuellen und umfassenden Überblick über die Umsetzung des Gesetzes zu geben und die zentralen Herausforderungen für die beteiligten Institutionen (Ministerien, Kommunen, Träger/Verwaltungsräte der Sozialämter) aufzuzeigen. Darauf aufbauend formuliert die Studie auch konkrete Handlungsempfehlungen.
Datengrundlage und Methodik
Um der oben definierten komplexen Aufgabenstellung gerecht zu werden, ist diese Studie als Mixed-Methods-Design konzipiert. Dementsprechend werden die der Studie zugrundeliegenden Daten mit verschiedenen Methoden erhoben.
- Die Dokumentenanalyse zu Beginn der Studie dient vor allem der inhaltlichen Vorbereitung und Konzeption der qualitativen Interviews und der standardisierten Befragung (z.B. Gesetzestexte, Tätigkeitsberichte, Publikationen).
- Experteninterviews mit Vertretern der beteiligten Institutionen (Ministerien, Kommunen, Sozialhilfeträger, „assistants sociaux“) dienen der Erkundung des Themas und der Rekonstruktion der Umsetzung des Gesetzes aus der jeweiligen institutionellen Perspektive (kontrastierende Darstellung und Analyse).
- Standardisierte Interviews mit (a) Mitarbeitern von Sozialdiensten und (b) Antragstellern und Nutzern mit Hilfe eines Fragebogens dienen der Erfassung und statistischen Auswertung von Einschätzungen und Bewertungen.
- Leitfadengestützte Einzelinterviews mit Antragstellern oder Klienten mit dem Ziel, spezifische Ansichten, Erfahrungen und Einschätzungen zu sammeln.
- Gruppendiskussionen mit Experten mit dem Ziel der Qualitätssicherung und Validierung der Ergebnisse.
Die Experteninterviews und die Leitfadeninterviews werden aufgezeichnet und anschließend transkribiert. Die Interviews werden mit Hilfe eines Programms zur computergestützten qualitativen Datenanalyse (atlas.ti) ausgewertet.
Die standardisierte Befragung wird mittels eines schriftlichen Fragebogens vor Ort oder einer Online-Befragung durchgeführt. Nach der Dateneingabe und Datenaufbereitung werden die Daten mit Hilfe eines Programms zur statistischen Datenanalyse (z.B. SPSS) ausgewertet.
Die Ergebnisse sowohl der Interviews als auch der standardisierten Befragung werden inhaltlich mit den Ergebnissen der quantitativen Studie der IGSS in Beziehung gesetzt.